maf. MÜNCHEN. Das auf Energiemanagement mittelständischer Unternehmen spezialisierte
Start-up Ecoplanet zählt zweieinhalb Jahre nach der Gründung schon 75 Kunden. Zu diesen
gehören der Kunststoffverarbeiter Durotherm, die Edelstahlgießerei Schmees, der
Autozulieferer Ferdinand Bilstein, der Pflegeanbieter Alloheim Senioren-Residenzen oder die
Kfz-Werkstattkette ATU. Auch die Anteilseigner sind namhaft: Schon länger beteiligt sind der
frühere Thyssenkrupp-Chef und ehemalige Siemens-Aufsichtsratsvorsitzende Gerhard
Cromme und HV Capital (früher Holtzbrinck Ventures). Nun steigt nach der jüngsten
Finanzierungsrunde über insgesamt 16 Millionen Euro der schwedische Finanzinvestor EQT
ein.
Für die beiden Gründer Max Dekorsy und Henry Keppler ist das ein Meilenstein in der
Unternehmensentwicklung. Im Gespräch mit der F.A.Z. sagt Dekorsy: "Die Energiewende
und die damit verbundenen Marktveränderungen sind der Ausgangspunkt für unser
Geschäftsmodell." Die Software von Ecoplanet soll dem Kunden zeigen, was möglich ist.
"Zuerst bekommt er die Kontrolle und die Transparenz über seine Energiekosten, um dann
die Einsparungen zu realisieren" beschreibt Dekorsy das Konzept. Die Unternehmen seien
spätestens in fünf Jahren gezwungen, ihre Prozessplanung auf die Strompreise
auszurichten, um aus Deutschland und Europa heraus wettbewerbsfähig zu bleiben. "Unsere
Software ist genau das Werkzeug, das die Unternehmen benötigen, um diese Umstellung zu
meistern und den Standort Deutschland zu stärken" ist er zuversichtlich. Der Energiepreis
sei für die derzeit mit Umsatzproblemen konfrontierten Unternehmen ein wichtiger Hebel, die
Kosten zu senken und die Profitabilität zu sichern.
Die Software von Ecoplanet richtet sich an den Mittelstand, weil große Konzerne auf diesem
Feld schon über eigene Instrumente verfügen. Zudem sind im Energiemanagement
Technologiekonzerne wie Siemens oder Schneider Electric tätig. Das Geschäftsfeld hat
Wachstumspotential. "Unternehmen können sehr viel Geld sparen, wenn sie den Strom
günstig einkaufen" sagt Keppler.
Ausgangspunkt sind die Schwankungen des Strompreises, die nach seinen Beobachtungen
am Tag zwischen zehn und 15 Cent betragen können. In den frühen Morgenstunden und am
Abend sei der Strom teuer, denn der Bedarf sei zu diesen Tageszeiten hoch. Aber mittags
sei der Preis am günstigsten, weil dann das Angebot aufgrund der Sonnen- oder
Windenergie am höchsten sei. "In der Regel amortisiert sich der Anschaffungspreis für
unsere Software mit den Einsparungen bei den Energiekosten schon innerhalb der ersten
sechs Monate" sagt Dekorsy. Die Unternehmen könnten zwischen 20 und 30 Prozent ihrer
Energiekosten einsparen. Die Software ist ausgerichtet auf Unternehmen mit einem
Jahresstromverbrauch von mindestens drei Gigawattstunden und Energiekosten von
mindestens 400.000 Euro.
Die beiden Gründer kommen aus mittelständischen Unternehmen und kennen deren
Probleme. Beratend steht Cromme zur Seite, der den Industriebeirat von Ecoplanet leitet.
"Wir stehen regelmäßig im Austausch mit ihm" berichtet Keppler. Um die günstigen
Preisphasen zu nutzen, müssen die Unternehmen seinen Worten zufolge auch ihre Prozesse
anpassen und ihren Verbrauch in diese günstigen Preisphasen verschieben. Eine Alternative
wäre die Vorhaltung von Speicherkapazitäten, die aber Kosten verursacht.
Mit der Energiewende verändert sich der Markt. Strom ist nicht mehr gleichmäßig zu einem
konstanten Preis verfügbar. Stattdessen gibt es wegen der erneuerbaren Energien am Tag
Schwankungen in der Verfügbarkeit. "Unternehmen müssen lernen, diese Schwankungen für
sich zu nutzen" sagt Keppler. Im kommenden Jahr werden dynamische Netzentgelte
eingeführt. Dann würden zusätzlich zu den Strompreisen die Netzentgelte mit der Auslastung
schwanken. Auch hier könnten die Unternehmen sparen, indem sie ihren Verbrauch auf
günstige Zeitfenster konzentrierten.
Ecoplanet setzt darüber hinaus Künstliche Intelligenz (KI) ein, um Kunden zu jeder Zeit auf
Anomalien im Energieverbrauch hinzuweisen, wie zum Beispiel ein fehlerhaftes
Kühlaggregat. Dass die Energiekosten für den Mittelstand ein Problem sind, zeigt das
Wachstum von Ecoplanet. Im vergangenen Jahr hat sich die Kundenzahl auf 75 verdreifacht
und die Belegschaft auf 40 Mitarbeitende verdoppelt.
Die Forderung nach einem Energiepreisdeckel oder einem Brückenstrompreis kann Keppler
aus Sicht der Unternehmen, die sehr energieintensiv produzieren und im internationalen
Wettbewerb stehen, nachvollziehen. "Aber solche Markteingriffe dürfen nicht dazu führen,
dass kein Anreiz mehr besteht, das Energiemanagement und den -verbrauch neu
auszurichten." Keppler und Dekorsy halten an Ecoplanet zusammen rund 40 Prozent.
Danach folgen HV Capital und EQT.
F.A.Z., 21.01.2025, Nr. 17, Wirtschaft, S. 21, D0