Herkunftsnachweis verstehen und richtig einsetzen

Olivia Matondo
17.4.2025

Ein Herkunftsnachweis ist mehr als nur ein Zertifikat. Für Unternehmen wird er zunehmend zu einem zentralen Bestandteil moderner Energiebeschaffung, Nachhaltigkeitsberichterstattung und ESG-Strategien. In diesem Artikel erfahren Sie, was ein Herkunftsnachweis (HKN) wirklich ist, wie er funktioniert – und warum er gerade für produzierende Unternehmen und Filialisten so relevant ist.

Herkunftsnachweis – das Wichtigste in Kürze

  • Herkunftsnachweise sind digitale Zertifikate für Strom aus erneuerbaren Energien und werden über das Herkunftsnachweisregister (HKNR) verwaltet.
  • Unternehmen dürfen Strom nur als Ökostrom kennzeichnen, wenn sie passende HKN besitzen und entwertet haben.
  • Die Nachweise können gehandelt werden, sind nicht an EEG-geförderten Strom gekoppelt und verbessern die CO2-Bilanz.
  • Richtig eingesetzt, unterstützen HKN die Nachhaltigkeitsstrategie, vermeiden Greenwashing-Risiken und schaffen Wettbewerbsvorteile.

Definition – Was ist ein Herkunftsnachweis?

Herkunftsnachweis einfach erklärt

Ein Herkunftsnachweis (HKN) ist ein elektronisches Zertifikat, das offiziell bestätigt, dass eine bestimmte Menge Strom – meist 1 Megawattstunde – aus erneuerbaren Energien stammt. Er gibt Auskunft über Art, Herkunft, Zeitraum und technische Details der Stromerzeugung. Das Besondere: Herkunftsnachweise sind vom physischen Stromfluss entkoppelt – sie belegen also nicht, welchen Strom jemand tatsächlich verbraucht hat, sondern dienen ausschließlich dem bilanztechnischen Nachweis.

Gesetzliche Grundlage (EnWG, EEG, EU-Richtlinie)

Die Verpflichtung zur Stromkennzeichnung basiert auf § 42 des Energiewirtschaftsgesetzes (EnWG). Unternehmen dürfen Strom nur dann als „grün“ deklarieren, wenn sie entsprechende HKN besitzen und diese entwerten. Das Herkunftsnachweisregister (HKNR) wurde gemäß Artikel 15 der EU-Richtlinie 2009/28/EG eingerichtet. In Deutschland ist das Umweltbundesamt für die Ausstellung und Verwaltung der Herkunftsnachweise zuständig.

Wer stellt den Herkunftsnachweis aus?

Nur das Umweltbundesamt darf in Deutschland HKN ausstellen. Die Grundlage dafür sind Zählerdaten, die von Netz- oder Messstellenbetreibern übermittelt werden. Die Ausstellung erfolgt über das elektronische Herkunftsnachweisregister (HKNR), das ähnlich wie ein Online-Banking-System funktioniert.

Wie funktioniert der Herkunftsnachweis in der Praxis?

Herkunftsnachweise spielen eine zentrale Rolle in der Stromkennzeichnung und im Stromhandel. Ihr Lebenszyklus ist klar geregelt.

Das Herkunftsnachweisregister (HKNR) des Umweltbundesamtes

Im HKNR werden alle Schritte dokumentiert: Ausstellung, Übertragung, Import, Export und Entwertung. Unternehmen, die mit HKN arbeiten wollen – sei es als Stromerzeuger oder als Käufer – müssen sich dort registrieren.

Ausstellung, Übertragung und Entwertung von Herkunftsnachweisen

  • Ausstellung: EE-Anlagenbetreiber beantragen HKNs für erzeugten Strom, sofern dieser nicht EEG-gefördert ist.
  • Übertragung: Die Nachweise können verkauft oder übertragen werden, z. B. an Energieversorger.
  • Entwertung: Erst nach der Entwertung gelten HKNs als genutzt – etwa zur Stromkennzeichnung oder CO₂-Bilanzierung.

Voraussetzungen für die Ausstellung

Ein Herkunftsnachweis kann nur ausgestellt werden, wenn:

  • Strom aus erneuerbaren Energien stammt (Wasser, Wind, Sonne, Biomasse etc.)
  • keine EEG-Förderung beansprucht wird (Stichwort: Doppelvermarktungsverbot)
  • der Strom direkt vermarktet wird

Für Strom, der im Eigenverbrauch genutzt wird, gibt es keine Herkunftsnachweise.

Welche Daten enthält ein Herkunftsnachweis?

Ein Herkunftsnachweis ist standardisiert und enthält zahlreiche Pflichtangaben, die Transparenz und Nachvollziehbarkeit gewährleisten.

Pflichtangaben

  • Art, Typ und Standort der Anlage
  • Datum der Inbetriebnahme
  • Strommenge (MWh)
  • Zeitraum der Erzeugung
  • Förderart und -umfang
  • Ausstellungsland, Ausstellungsdatum, eindeutige Kennnummer

Optionale Zusatzangaben

  • Regionale Herkunft (z. B. Postleitzahl)
  • Umweltbesonderheiten (z. B. Fischschutzmaßnahmen)
  • Kopplung von HKN und physischem Strombezug

Diese Zusatzinformationen können z. B. im Rahmen von ESG-Offenlegungspflichten wichtig sein.

Herkunftsnachweis vs. EEG-Förderung – was ist der Unterschied?

Viele Unternehmen fragen sich: Kann ich sowohl Fördergelder nach dem Erneuerbare-Energien-Gesetz erhalten als auch HKN verkaufen? Die Antwort: Nein.

Direktvermarktung und Doppelvermarktungsverbot

Der Gesetzgeber verhindert eine doppelte Monetarisierung von Grünstrom. Wer eine EEG-Förderung wie die Marktprämie nutzt, darf keine Herkunftsnachweise für denselben Strom erhalten. Wer dagegen bewusst auf die Förderung verzichtet, kann HKNs generieren und verkaufen – oft lohnenswert für größere Anlagen mit stabiler Produktion.

Welche Vermarktungsmodelle sind zulässig?

Herkunftsnachweise gibt es z. B. bei:

Gerade Filialisten mit mehreren Standorten können so ihre Stromversorgung strategisch gestalten – z. B. durch die Nutzung von lokal erzeugtem Solarstrom mit HKN-Kopplung.

Herkunftsnachweise kaufen, verkaufen und handeln

Wer darf Herkunftsnachweise handeln?

Teilnahmeberechtigt sind:

  • Anlagenbetreiber
  • Energieversorger
  • Händler und Broker

Ein Konto im HKNR ist dafür Pflicht.

Nationale und internationale Märkte

Ein Großteil der in Deutschland genutzten Herkunftsnachweise wird importiert – vor allem aus Norwegen, Island oder Österreich. Das ist legal, führt aber zur rechnerischen Entkopplung vom tatsächlichen Stromverbrauch. Deshalb ist Transparenz entscheidend.

Preisspanne & Kostenfaktoren

Die Kosten für Herkunftsnachweise liegen aktuell zwischen 0,50€ und 8€ pro MWh – je nach Quelle, Technologie und Herkunftsland. Zusätzlich fallen Gebühren für die Nutzung des Registers an. In Sonderfällen, etwa bei Mieterstrom, können auch Umweltgutachter erforderlich werden.

Welche Vorteile bietet der Herkunftsnachweis für Unternehmen?

Stromkennzeichnung und CO₂-Bilanz

Unternehmen dürfen Strom nur dann als „grün“ deklarieren, wenn sie passende Herkunftsnachweise entwertet haben. Diese Stromkennzeichnung verbessert nicht nur die CO₂-Bilanz, sondern ist auch ein starkes Signal gegenüber Kunden, Partnern und Investoren.

Nachhaltigkeitsberichterstattung und ESG

Herkunftsnachweise spielen eine wichtige Rolle bei ESG-Ratings und der EU-Taxonomie. Sie gelten als standardisierter Nachweis für die Nutzung erneuerbarer Energien und sind damit essenziell für nicht-finanzielle Berichterstattung.

Wettbewerbsvorteil durch glaubwürdige Grünstromnutzung

Gerade in Beschaffungsprozessen, Ausschreibungen und Investorengesprächen zählt glaubwürdige Nachhaltigkeit. Mit Herkunftsnachweisen können Unternehmen ihre Strategie transparent belegen – besonders effizient, wenn sie das mit einem Energiemanagementsystem wie ecoplanet verknüpfen. So wird nicht nur Strom beschafft, sondern auch aktiv gesteuert und optimiert.

Risiken und Kritik am Herkunftsnachweissystem

Greenwashing-Gefahr

Da HKNs vom Stromfluss entkoppelt sind, können Unternehmen sich rechnerisch grün rechnen – ohne tatsächlich sauberen Strom zu beziehen. Die Glaubwürdigkeit hängt deshalb stark von der Herkunft der Nachweise ab.

Fehlende Zusätzlichkeit

Viele HKNs stammen aus alten Wasserkraftwerken – oft ohne realen Mehrwert für die Energiewende. Für ambitionierte Unternehmen empfiehlt sich deshalb der gezielte Einkauf aus neuen Anlagen mit definierter Herkunft.

Doppelte Nutzung / Import-Problematik

Einige Herkunftsnachweise werden mehrfach gehandelt oder stammen aus Ländern ohne physische Verbindung zum europäischen Netz. Das kann zu Reputationsrisiken führen – insbesondere, wenn die Nachhaltigkeitskommunikation darauf aufbaut.

Quellen