Übertragungsnetzbetreiber im Stromnetz verstehen

Olivia Matondo
21.4.2025

Energie effizient steuern und Stromkosten senken: Unternehmen mit mehreren Standorten oder aus der produzierenden Industrie müssen zunehmend verstehen, wie das überregionale Stromnetz funktioniert. Eine Schlüsselrolle spielen dabei die Übertragungsnetzbetreiber (kurz: ÜNB). Dieser Artikel beleuchtet ihre Aufgaben, Bedeutung und die Relevanz für ein professionelles Energiemanagement mit Software wie der von ecoplanet.

Was Unternehmen über ÜNB wissen sollten

  • Übertragungsnetzbetreiber (ÜNB) gewährleisten die sichere Stromversorgung auf der Höchstspannungsebene und betreiben das „Stromautobahnnetz“ Deutschlands.
  • In Deutschland gibt es vier ÜNB – Amprion, 50Hertz, TenneT und TransnetBW – die jeweils eine klar abgegrenzte Regelzone verwalten.
  • ÜNB spielen eine Schlüsselrolle in der Energiewende und sind eng mit europäischen Partnern vernetzt, um grenzüberschreitende Stromflüsse zu koordinieren.
  • Unternehmen können durch ein tiefes Verständnis der Netzstruktur, Netzentgelte und Flexibilitäten ihre Energiekosten optimieren und aktiv zur Netzstabilität beitragen.

Was ist ein Übertragungsnetzbetreiber?

Übertragungsnetzbetreiber sind die Architekten des Stromtransports auf der Höchstspannungsebene. Sie betreiben das "Stromautobahnnetz" Deutschlands, über das Energie aus Großerzeugern oder erneuerbaren Anlagen in die Verteilnetze transportiert wird. Dabei tragen sie eine immense Verantwortung für die Netzstabilität und Versorgungssicherheit – insbesondere in einem Energiesystem, das sich durch die Energiewende rapide verändert.

Definition und Abgrenzung zu Verteilnetzbetreibern

ÜNB betreiben Stromnetze mit einer Spannung von über 220 Kilovolt und sind für große Distanzen zuständig. Verteilnetzbetreiber hingegen liefern Strom auf regionaler und lokaler Ebene. Der Strom wird in Umspannwerken transformiert und über die unterlagerten Netzebenen weiterverteilt.

Technische Grundlagen – Spannungsebenen und Stromautobahnen

Das deutsche Stromnetz ist in vier Spannungsebenen gegliedert: Höchst-, Hoch-, Mittel- und Niederspannung. Das Übertragungsnetz mit rund 38.500 Kilometern Länge stellt die oberste Ebene dar. Es ermöglicht es, Strom von Offshore-Windparks im Norden bis zu Industriezentren im Süden zu transportieren – verlustarm und effizient. ÜNB arbeiten zudem eng mit europäischen Partnern zusammen, um grenzüberschreitende Stromflüsse zu koordinieren.

Rechtlicher Rahmen: EnWG und Regulierungsstruktur

Laut Energiewirtschaftsgesetz (EnWG, §11) sind ÜNB verpflichtet, das Netz sicher, zuverlässig und diskriminierungsfrei zu betreiben und auszubauen. Die Bundesnetzagentur reguliert ihre Aktivitäten, um Markttransparenz zu schaffen und einen fairen Wettbewerb im Energiemarkt zu gewährleisten. Dies ist besonders relevant, da das Übertragungsnetz ein natürliches Monopol darstellt und zentral für den Marktzugang aller Stromanbieter ist.

Was sind die Aufgaben der Übertragungsnetzbetreiber?

Die Rolle der ÜNB ist nicht statisch, sondern wandelbar und hochdynamisch. Ihre Aufgaben reichen weit über das reine Stromleiten hinaus.

  • Sicherer Netzbetrieb & Systemstabilität

ÜNB überwachen in Echtzeit das Stromnetz, gleichen Schwankungen aus und stellen die Netzfrequenz von 50 Hertz sicher.

  • Netzausbau & Instandhaltung

Sie modernisieren das überregionale Netz kontinuierlich und schaffen durch neue Trassen wie HGÜ-Leitungen Kapazitäten für die Energiewende.

  • Systemdienstleistungen: Frequenz-, Spannungs- und Lastmanagement

ÜNB sichern die Netzstabilität durch präzise Steuerung der Frequenz (50 Hertz), Spannung und Lastflüsse. Sie gleichen Schwankungen in Echtzeit mit Regelleistung aus und verhindern Überlastungen durch Maßnahmen wie Redispatch.

  • Versorgungssicherheit und Netzwiederaufbau bei Ausfällen

ÜNB tragen die Verantwortung, nach großflächigen Stromausfällen die Versorgung schnell wiederherzustellen. Dafür nutzen sie schwarzstartfähige Kraftwerke, die unabhängig vom Stromnetz starten können – also beispielsweise Wasserkraftwerke, die ihre Turbinen ohne externe Energie antreiben können, um das Netz schrittweise neu aufzubauen und zu stabilisieren.

Warum gibt es in Deutschland nur vier Übertragungsnetzbetreiber?

Deutschland ist im europäischen Vergleich eine Besonderheit. Die historische Entwicklung erklärt, warum vier ÜNB mit jeweils einer Regelzone bestehen.

  • Historische Entwicklung: Von Monopolen zur Marktöffnung

Die Struktur der Regelzonen geht zurück auf die Versorgungsgebiete der früheren Energie-Großkonzerne wie RWE und Vattenfall.

  • Das Unbundling und seine Auswirkungen

Seit 1998 müssen Netzbetrieb und Stromvertrieb getrennt sein. Daraus entstanden die heutigen unabhängigen ÜNB: Amprion, 50Hertz Transmission, TenneT und TransnetBW.

  • Die vier ÜNBs im Überblick: Amprion, 50Hertz, TenneT, TransnetBW

Jeder ÜNB betreibt eine geografisch definierte Regelzone. TenneT im Norden und Süden, 50Hertz im Osten, Amprion im Westen und TransnetBW in Baden-Württemberg.

Die Rolle der ÜNBs im deutschen Energiesystem

Übertragungsnetzbetreiber agieren nicht isoliert, sondern sind eng in nationale und internationale Energieprozesse eingebunden.

  • Der Netzregelverbund (NRV)

Die vier deutschen ÜNB gleichen im Netzregelverbund Stromungleichgewichte in Echtzeit aus, indem sie ihre Regelzonen koordinieren. Dies ist essenziell, um die Netzstabilität und eine konstante Frequenz von 50 Hertz zu gewährleisten.

  • Verbindung ins europäische Verbundnetz (ENTSO-E)

Das deutsche Stromnetz ist Teil des europäischen Verbundnetzes, das 42 Übertragungsnetzbetreiber aus 35 Ländern umfasst. Über ENTSO-E werden grenzüberschreitende Stromflüsse koordiniert, um Versorgungssicherheit und einen effizienten Energiehandel in Europa zu ermöglichen.

  • Koordination mit Verteilnetzbetreibern und Industrie

Eine enge Zusammenarbeit mit Verteilnetzbetreibern sorgt dafür, dass Strom bis auf die lokale Ebene gelangt. Gleichzeitig stimmen sich ÜNB mit energieintensiven Industriebetrieben ab, um Lasten zu optimieren und Netzengpässe zu vermeiden.

Für energieintensive Unternehmen ist dieses Zusammenspiel besonders relevant, da eine gezielte Laststeuerung nicht nur Kosten senken, sondern auch die Netzstabilität unterstützen kann. Mit Energiemanagementsoftware wie der von ecoplanet können Unternehmen ihren Energieverbrauch in Echtzeit analysieren, Prognosen erstellen und Lastspitzen vermeiden, wodurch sie aktiv zur Entlastung des Netzes und zur eigenen Kostenoptimierung beitragen.

Herausforderungen für ÜNBs in Zeiten der Energiewende

Die Energiewende stellt ÜNB vor immense Herausforderungen, wobei der Fokus auf Netzausbau, Digitalisierung und Flexibilität liegt.

Netzintegration erneuerbarer Energien
Windstrom aus Norddeutschland muss über weite Strecken zu den Industriezentren im Süden transportiert werden. Gleichzeitig erschwert die dezentrale Einspeisung aus Photovoltaikanlagen eine präzise Netzplanung, da diese wetterabhängig und schwer vorhersagbar ist.

Engpässe & Bedarf an Netzausbau
Um den steigenden Strombedarf zu decken und Überlastungen zu vermeiden, setzen ÜNB auf neue Technologien wie Hochspannungs-Gleichstrom-Übertragung (HGÜ), die Energie verlustarm über große Distanzen transportieren. Projekte wie SuedLink und SuedOstLink sind zentrale Vorhaben für die Energiewende.

Digitalisierung und Netzeffizienz
Fortschritte in der Netzsteuerung ermöglichen durch Echtzeitdaten und KI-gestützte Prognosen eine präzisere Planung und Steuerung. Automatisierte Systeme helfen, Schwankungen im Netz auszugleichen und den Betrieb effizienter zu gestalten.

Quellen